Der Fall „Pokémon Classic Collection“

Das hier ist eine andere Art Beitrag, als ihr ihn von der Miauz Genau Website gewohnt seid: ich protokolliere hier eine Art Fallakte der Grafik „Pokémon Classic Collection“.

Der Anlass ist banal und gleichzeitig lehrreich: eine einzelne Grafik von mir, erstellt im Februar 2023, die bis heute als vermeintlicher „Leak“ durch die Timelines geistert. Dieser Text ordnet den Fall nüchtern ein, damit wir – ich, ihr, die Szene – eine verlässliche Referenz haben.

Ich erzähle diese Geschichte, weil sie immer noch nicht vorbei ist…

Sie beginnt im Februar 2023, wenige Tage vor dem Pokémon Day. Hauptberuflich bin ich Grafikdesigner und seit jeher bin ich Pokémon Fan – nicht ohne Grund fing ich 2018 mit dem Podcast an, auf dessen Seite ihr hier gerade seid. Aus genau dieser Schnittstelle heraus habe ich damals eine Grafik gebaut: eine fiktive „Pokémon Classic Collection“ in der Anmutung, als würde sie von Nintendo selbst stammen – inklusive eines Cover Mockups, bei dem ich die Legenden Arceus Logo Komposition nachgebaut habe und mit verschiedenen edler anmutenden Originalabbildungen der Cover Pokémon alter spiele verfeinert habe.

Es war kein Leak, keine Insider-Info, kein heimlicher Download aus dunklen Archiven, sondern schlicht die Visualisierung eines Wunsches: Wenn ich mir etwas von Pokémon Presents wünschen dürfte, dann wäre es genau so eine Sammlung alter Spiele für die Switch.

Mein erster Tweet dazu war naiv… ein Augen-Emoji und das Bild. Mehr nicht. Ich habe unterschätzt, wie brutal schnell eine Oberfläche, die professionell wirkt, als Wahrheit gelesen wird. Schon nach kurzer Zeit bekam ich WhatsApp-Nachrichten: „Ey Domi, ist das echt?!“ Dieser Moment war der Punkt, an dem ich begriffen habe, dass die Grafik nicht mehr als das gesehen wurde, was sie war.

Ich habe den Tweet gelöscht und einen neuen abgesetzt, in dem ich den Kontext erklärte. Kein Leak, kein Insider, nur ein Wunsch. Ich wollte Missverständnisse ausräumen, bevor sie zu Hoffnungen werden… Doch das Internet arbeitet nicht mit Kontext, sondern mit Kopien…

Irgendjemand stellte die Grafik auf Reddit, losgelöst von meiner Klarstellung. Gleichzeitig sah ich auf Twitter einen größeren Pokémon-YouTuber, der exakt meine ursprüngliche Posting-Mechanik imitierte – Augen-Emoji, Bild, kein Kontext. Ab da rollte die Welle. Die Grafik wurde weitergereicht, in Threads zitiert, in Video-Thumbnails montiert, und mit Pfeilen versehen… Manche Creator machten sich die Mühe, das Datum in der Grafik heraus zu retuschieren, da der fiktive Release-Zeitpunkt rasch nicht mehr realistisch war… Ich kommentierte unter einem der großen Tweets, erklärte die Herkunft, schrieb: Das ist mein Mock-up. Die häufigste Reaktion: „Dann hättest du ein Wasserzeichen draufmachen sollen.“

Diese Antwort hat mich getroffen, weil sie am eigentlichen Problem vorbeizielt. Es ging mir nicht um Credit. Es ging mir um Verantwortung… Denn die Grafik war plötzlich Rohstoff für ein Geschäftsmodell: das Geschäft mit der Enttäuschung. Man nimmt eine vermeintlich echte Visualisierung, montiert sie in ein Thumbnail, kündigt „Leak“ oder „Insider-Gerücht“ an, treibt die Erwartung hoch und… tja… und kassiert Aufmerksamkeit und damit Geld. Am Ende bleiben Fans zurück, deren Hoffnung in den Algorithmus verbaut wurde – und wenn die Ankündigung ausbleibt, in Ernüchterung kippt. Meine Grafik wurde dabei zur Waffe. Nicht, weil sie falsch war, sondern weil sie „richtig“ aussah.

Die Authentizität der Ästhetik wird mit der Authentizität der Information verwechselt und die medielle Aufmerksamkeitsökonomie nutzt diese Verwechslung systematisch aus.

Ich habe in den Wochen und Monaten danach beobachtet, wie sich die Grafik verselbständigt. 2023 tauchte sie immer wieder auf. 2024 wieder. Auch 2025 wieder… mein Co-Host Knopey hat im Februar 2025 eigens einen Infopost gemacht, um die Sache geradezuziehen. Und jetzt stehen wir am Ende von 2025, mit Blick auf 2026, dem Jahr, in dem das 30. Pokémon-Jubiläum beginnt. Ich habe verstanden: Dieses Bild ist ein Gespenst. Es geistert herum, weil es die Form einer Wahrheit trägt, ohne eine zu sein. Und weil es für manche nützlich ist, dass es herumgeistert.

Ich schreibe das hier nicht, um irgendwem den moralischen Zeigefinger entgegenzuhalten…

Ich schreibe es, weil ich meinen Anteil benennen will. Ich habe das Bild gemacht. Ich habe es zuerst ohne Kontext gepostet. Ich habe zu spät begriffen, dass ein glaubhaftes Mock-up in diesem Umfeld wie ein Streichholz neben Benzin ist. Ich habe den Tweet gelöscht, neu gepostet, erklärt.. doch das war nur der Versuch, einen bereits existierenden Großbrand mit einem einzelnen Eimer Wasser zu löschen. Ich habe nicht genug getan und zeitgleich weiß ich, dass ich an dieser Stelle niemals hätte genug tun können. Das Internet liebt klare Formen und einfache Geschichten, und „Leak kurz vor Pokémon Day“ ist eine sehr einfache Geschichte.

Wer trägt Verantwortung, wenn ein Mock-up zur Fehlinformation wird? Der Designer, weil er realistisch gestaltet? Die Plattform, weil sie Kontext abstreift? Die Creator, die den Kontext kennen könnten, aber Reichweite vor Aufklärung stellen?

Das Problem war nie fehlender Credit. Ich vermisse nicht, dass mein Name irgendwo stand sondern vermisse, dass die Wahrheit nirgendwo stand. Der Unterschied ist fundamental. 

Warum erzähle ich das jetzt, so ausführlich, so persönlich? Weil ich dieses Kapitel nicht noch einmal als stille Randnotiz erleben möchte, wenn das Jubiläumsjahr wieder Gerüchte anfacht. Ich möchte eine referenzierbare, überprüfbare Einordnung setzen: Diese „Pokémon Classic Collection“-Grafik ist von mir, sie ist ein Mock-up vom Februar 2023, sie ist kein Leak, sie hatte nie eine Quelle außer meiner Vorstellung. Alles, was damit als „Beleg“ für kommende Produkte behauptet wird, ist Spekulation, die sich meiner Grafik als Kulisse bedient. Punkt.

Und ich möchte eine Bitte anschließen… nicht als Gebot, sondern als Vorschlag für uns alle,… mich eingeschlossen. Wenn euch künftig ein „zu gutes“ Bild begegnet, besonders kurz vor großen Events: Sucht aktiv nach dem Ursprung. Prüft, ob eine Primärquelle existiert, die mehr ist als ein Screenshot. Hört auf euer Bauchgefühl: Klingt der Text unter dem Bild nach Information oder nach Stimmung? Fragt euch, wem die Verwechslung nützt. 

Während ich diese Wall of Text schreibe, realisiere ich, dass das vielleicht der wahre Kern von all dem ist: Form schafft Erwartung, und Erwartung ist eine Ressource. Wer sie weckt, trägt Verantwortung. Ich habe sie unabsichtlich geweckt und ich trage meinen Teil. Andere haben sie absichtlich bewirtschaftet, und sie tragen ihren… Bitte versteht diesen Beitrag auf der Miauz Genau Website als Marker: Hier ist die Quelle. Hier sind die Zeitpunkte. Hier ist die Absicht. Alles Weitere, was aus dieser Grafik gemacht wurde, gehört nicht mir. Es gehört in die Sphäre der Spekulation, der Thumbnail-Ökonomie, des Reichweitenhandels.

Ich wünsche mir nach wie vor eine liebevoll kuratierte, offizielle Classic-Sammlung alter Pokémon-Spiele für die aktuelle Nintendo Konsole. Aber bis The Pokémon Company selbst diese ankündigt, bleibt meine „Pokémon Classic Collection“ genau das, was sie immer war: ein Wunsch in Bildform.